In diesen Tagen wollen die Richter in London über die Auslieferung von Julian Assange in die USA entscheiden. Wobei "Auslieferung" suggeriert, dass Julian Assange in sein Heimatland zurückgeschickt werden würde, also sowas wie Remigration. Tatsächlich stammt er aber aus Australien und hat keine seiner ihm vorgeworfenen Taten in den USA begangen. Da passt vielleicht der Begriff "Verschleppung" besser, wenn nicht gar das hässliche Wort mit "D".
Jeder kann versuchen, sich vorzustellen, wie es ihm damit ginge, wenn er hierzulande über Informationen berichtet, die die USA momentan nicht öffentlich sehen wollen und er daraufhin nach Übersee ausgeflogen wird. Ob man das verhindern kann, wenn man keinen Reisepass hat?
Wenn die Richter gegen Assanges Auslieferung entscheiden, wäre das noch nicht mal ein Gewinn, denn dann säße er weiterhin im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Er hat seit seiner Flucht in die ecuadorianische Botschaft in London 2012 kein Sonnenlicht mehr gesehen und keine frische Luft mehr geschnappt. Seit 2019 sitzt er in Belmarsh in einer Zelle von 2×3m² Grundriss. Bei der Aufführung des Films "Ithaka" Dezember 2022 im Luchskino haben Künstler einen Container dieser Größe aufgestellt, der auch die Originalgeräuschkulisse nachbildet. Sehr beklemmend. Stellt euch vor, für fünf Jahre auf der Toilette eingesperrt zu sein. Entsprechend ist Assange inzwischen so krank, dass er für den Gerichtsprozess nicht verhandlungsfähig war und auch einen Flug in die USA nicht überstehen würde.
Annalena Baerbock wollte sich für Assanges Freilassung einsetzen, aber nicht ausgerechnet gerade, wenn sie in der Regierung ist.
In der EU gibt es übrigens seit 2019 die Hinweisgeberrichtlinie und in D seit 2023 das Hinweisgeberschutzgesetz.
Über die drohende "Auslieferung" ist ein bisschen in Vergessenheit geraten, warum Assange eigentlich eingesperrt ist. Nun ja, er hat mit seiner Plattform WikiLeaks US-Kriegsverbrechen und unappetitliche Hintergründe aufgedeckt, gewissermaßen Verschwörungstheorien zu -erkenntnissen umgewandelt. Ihr erinnert euch noch daran, wie es im zweiten Irakkrieg hieß, der Irak hätte Massenvernichtungswaffen und deswegen müsse man Präventivverteidigung betreiben? Wurden die Massenvernichtungswaffen inzwischen gefunden? Das Video "Collateral Murder" wurde durch WikiLeaks weltbekannt. Die Whistleblowerin zu diesem Video, zum Zeitpunkt des Leaks noch Bradley Manning, wurde auch gefoltert, ist inzwischen wieder auf freiem Fuß, wird aber immer noch schikaniert.
Assanges Ehefrau und Anwältin Stella kämpft seit 2011 für seine Freilassung mit allen rechtlichen und politischen Mitteln. 2017 sah es vorübergehend so aus, als ob die Freilassung nur noch eine Formalie wäre. Ihre Eltern haben sich in Südafrika gegen die Apartheid engagiert. Drücken wir ihr die Daumen, dass sie in London Erfolg hat!
Weitere Klarstellungen zur aktuellen Berichterstattung in den NATO-Medien gibt es von Ortwin Rosner auf TKP:
https://tkp.at/2024/03/08/6-mythen-ueber-julian-assange/
H. Löwenstein
